Leseprobe zu
Heft 181
 
Geschichte
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Die Felsenbilder vom Zeiselbachtal und das traurige Schicksal ihres Schöpfers Martin Berger

Gnadenlose Willkür in dunkler Zeit

Wer vom Wiesseer Sportplatz am Zeiselbach entlang bergauf wandert, stößt auf drei eigenwillig anmutende Reliefarbeiten im steilen Fels. Erst jetzt fand man heraus, wer der Mann war, der sie vor fast 90 Jahren geschaffen hat. Sein Schicksal legt in eindringlichen, einfachen Worten Zeugnis davon ab, wie leicht ein Mensch in einem totalitären System zum „Volksfeind“ werden kann.

Bereits vor 20 Jahren war in TEGERNSEER TAL (Ausgabe 142) ein Bericht über die Felsenbilder im Zeiselbachtal zu lesen. Auf Initiative des damaligen Aueralm-Wirts und des Aueralm-Vereins und mit tatkräftiger Unterstützung der Bergwacht hatte man die drei Relief-Darstellungen vom Moos befreit, das sich im Lauf der Jahre auf den Motiven angesiedelt hatte. Die Steinmetzarbeiten stammen aus dem Jahr 1935: Bachaufwärts auf der rechten Seite der charakteristisch kantige Kopf mit Bart des kurz zuvor verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg sowie ein Jäger mit Hund; linksseitig, etwas weiter oben ein springender Hirsch. – Vom Schöpfer der Bilder wusste man lange Zeit nur den Namen: Martin Berger. Bis sich auf einen Artikel im gemeindlichen „Bürgerboten“ eine Wiesseerin meldete. Der Berger Martin, so erinnerte sie sich, sei „speziell“ gewesen, „a bissl a Spinner“. Und weggesperrt habe man ihn, weil er wohl arbeitsscheu gewesen sei…

Was die dunklen Jahre des Nationalsozialismus anbelangt, ist die Aktenlage im Gemeindearchiv – wie in vielen anderen Kommunen – auch in Bad Wiessee überschaubar. Es ist nicht viel übrig, um zu dokumentieren, dass auch hier am Tegernsee Unrecht geschah. Doch ausgerechnet die Akte Martin Berger ist erhalten geblieben. Aus ihr geht in erschreckender Weise hervor, mit welcher Willkür in jener Zeit über das Schicksal eines Menschen entschieden werden konnte und wurde.

Martin Berger hatte also dank seiner Leidenschaft für die Amateurbildhauerei 1935 die drei Motive in die Felswände am Zeiselbach gehauen. Von Beruf war er eigentlich Bauhilfsarbeiter. Im Oktober 1935 schrieb der damalige 2. Bürgermeister von Bad Wiessee an das Bezirksamt Miesbach, man solle doch prüfen, ob man Berger nicht in das Konzentrationslager Dachau oder in eine Heilanstalt verbringen könne. Für dieses Ansinnen wurden gleich mehrere Gründe genannt. Zum einen sei er „schon wiederholt in Untersuchung wegen kriminellen sittlichen Verfehlungen“, er verweigere jede Handarbeit, um sich als dilettantischer Künstler zu profilieren, und bezeichne sich selbst als Freiheitskämpfer. Zudem trage er nichts zum Haushalt der Familie bei, weshalb seine Frau sehr verzweifelt sei. Den sicherlich reichhaltigen Strafregisterauszug habe die Gemeinde bereits beantragt und man werde ihn nachreichen.

Felsbild mit Jäger
Eine Woche später wurde der Strafregisterauszug nachgereicht und der 2. Bürgermeister schrieb hierzu: „Es stehen zu unserer Überraschung keine Vorstrafen darauf.“ Um trotzdem die Dringlichkeit seines Antrages zu untermauern, schickte der Gemeindevertreter kurz darauf einen weiteren Brief an das Bezirksamt, in welchem er „das letzte Erzeugnis des „Freiheitskämpfers“ Berger vorlege – die Randbemerkung in seiner „Hausliste“ für das Finanzamt (hier hatte man seine Besitztümer aufzulisten, Anm. d. Red.) Darin hatte Berger geschrieben: „Wenn ein Frontkämpfer und Kriegsbeschädigter im Dritten Reich nicht zu leben hat, habe ich auch kein Interesse, den Bogen auszufüllen.“



Was die dunklen Jahre des Nationalsozialismus anbelangt, ist die Aktenlage überschaubar. Es ist nicht viel übrig, um zu dokumentieren, dass auch hier am Tegernsee Unrecht geschah.


 

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