Natur und Landschaft
Seite   1   2   >
Junge Schottische Hochlandrinder in Ostin

 

Mal beeindruckend archaisch, mal zuckersüß, aber zum Kuscheln nur bedingt geeignet – ein Besuch bei Highland-Rindern, Galloways und Alpakas.

Aus fernen Hochlanden ins Oberland

Manch Wanderer reibt sich verwundert die Augen, welche Viecherl ihm da in oberbayerischer Bilderbuchlandschaft begegnen: Am Ödberg grasen zottige Highlander mit beeindruckenden Hörnern, Galloways mit geschneckeltem Deckhaar betreiben Steilhang-Pflege an der Neureuth, und in Kreuth lassen sich Erholungssuchende gar von sanftäugigen Alpakas durch die Weißachau begleiten.

Die Welt ist global geworden, auch auf den Wiesen. Längst gibt es in Deutschland Halter- und Züchtervereinigungen für Rinder mit schottischem oder Kameliden mit südamerikanischem Migrationshintergrund. Doch was bewegt jemanden, sich derartige Haus- und Hoftiere zuzulegen? Der Bergerhof, einst Lehenshof des Klosters Tegernsee, ist seit Urzeiten im Besitz der Familie Weber und liegt 920 Meter hoch über dem Tegernsee: Wald, steile Wiesen, durch die Zuflüsse des Alpbachs rauschen, traumhafter Bergblick. Die Idylle wissen Sommerfrischler seit Jahrzehnten zu schätzen. Landwirtschaft rentiert sich hier nur bedingt. Bis 2007 wurde noch Milch ins Tal geliefert. „Da wird die Soß‘ teurer wie der Braten“, kommentiert Hans Weber im Rückblick. Schließlich stellte er 2008 auf Mutterkuhhaltung mit Fleckvieh um und probierte es mit den ersten Galloways. Die „Alpha“ ist heute noch Leitkuh in der kleinen Herde mit 16 Tieren. Es regiert das Matriarchat, „und wenn in der Gruppe eine abgeht, ist immer großes Geplärr.“ Der Stier wird alle zwei Jahre getauscht, um Inzucht zu vermeiden.

Warum gerade die wuscheligen Schotten? „Die sind einfach gut zum Haben“, heißt es bayrisch-trocken. Was bedeutet: Sie sind robust und friedfertig, genetisch hornlos und können ganzjährig im Freien bleiben. Lediglich gegen allzu grobe Witterung oder brennende Sonne sollte ein Unterstand vorhanden sein. Das doppelschichtige Fell hat langes, lockiges Deckhaar und feines, dichtes Unterhaar, hier vorwiegend White Galloways mit dunklen Kontrasten an Ohren, Maul und Fesseln und Schwarze mit einer weißen Bauchbinde („Belted“). Mit dem kurzen und breiten Kopf, den großen Kulleraugen und langen Wimpern grüßt das Kindchenschema. Dabei sollte man die Wucht von rund 600 Kilo Rind nicht unterschätzen. Auch Hans Weber ist beim Treiben der Herde schon im Graben gelandet.

Hans Weber mit den Gallowys vom Bergerhof über Tegernsee
Galloways wie die aufmerksame Damentruppe, die Hans Weber am Bergerhof oberhalb der Stadt Tegernsee hält, sind eine der ältesten Hausrindrassen und ausgesprochen pflegeleicht.

Im Winter wird Heu und Silage vom eigenen Hof zugefüttert, zusätzlich braucht es hochwertige Mineralien. Klauenpflege ist in der Regel nicht nötig. In zwölf Jahren gab es nur einmal Probleme bei der Geburt eines Kalbes. Der Tierarzt kommt einmal im Jahr für eine Blutuntersuchung. Die Pflegeleichtigkeit ist ein schlagendes Argument, wenn dreizehneinhalb Hektar Bio-Bergbauernhof im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Denn Hans Weber ist als Trompeter und Dirigent von zwei Blaskapellen im Tegernseer Tal gut eingespannt, ebenso seine Frau Katharina als Lehrerin und Musikerin.

Galloways vom Bergerhof über Tegernsee

Weitere Argumente für die kleinen Schotten sind Landschaftspflege und sogar aktiver Naturschutz. Denn die Rinder verbeißen auf den steilen Hängen unter anderem unerwünschte Binsen oder Disteln, schichtweise und so schonend, dass vielfältige Arten nachwachsen können. Selbst in sumpfigem Gelände wird die Grasnarbe kaum zerstört, weil sich das Körpergewicht auf relativ breite Klauen verteilt. Galloways gehören zu den ältesten Hausrindrassen. Wegen ihrer Fleischqualität wurden sie in der Antike sogar von jenseits des Hadrianswalls bis nach Rom exportiert.

Auf dem Hof dürfen sie bis zu vier Jahre heranwachsen. „Zum Schlachten haben sie bei uns den Kopf im Kübel mit ihrem Lieblingsfutter“, sagt Hans Weber. Mit einem Schussapparat und der nötigen Ausnahmegenehmigung kann man das direkt auf der Weide erledigen. Das Fleisch wird im Bekanntenkreis vermarktet.

Für die Namensgebung sind bei den Webers Frau und Sohn zuständig. Während Hans Weber schon aus emotionalem Selbstschutz seine Tiere nur vereinzelt mit Namen anspricht, gehen Helmut und Martha Höllwart in diesem Bereich voll ins Risiko. Ihre Schottischen Hochlandrinder hören auf Fiona oder Lili, Balu oder Linus. Und der Abschied geht selbst dem gelernten Metzger „brutal an die Nieren“. Dabei achten auch die Höllwarts bei der Schlachtung auf stressfreie Bedingungen, locken mit Lieblingsfutter in den Hänger, sorgen für eine kurze Fahrt und bleiben bis zum letzten Schuss dabei. Gerade, weil ihnen die Tiere ans Herz wachsen, erscheint ein schneller, überraschender Tod als beste Art, mit der unausweichlichen Situation umzugehen. 

Seite   1   2   >