Heimat und Brauchtum
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Eingangsseite der Erzherzog-Johann-Klause

 

Als die Bahn den Bergtourismus ankurbelte: Raritäten aus dem „Fremdenbuch“ der Erzherzog-Johann-Klause

Der Zug der Wandervögel

Anno 1883 fährt der erste Zug im neuen Bahnhof Gmund ein. 1902 ist auch Tegernsee von München mit der Eisenbahn erreichbar. Bereits damals gab es zunächst Widerstände wegen des befürchteten Ansturms von Tagesausflüglern auf Schienen. Sie kamen auch! Doch vielen genügte das liebreizende Tal nicht, sie wollten weiter und höher hinauf. „Fremdenbücher“ wie jenes der Erzherzog-Johann-Klause geben einen kurzweiligen Eindruck von der touristischen Erkundung der Bergwelt.

Die Fremdenbücher der Jausenstation beginnen 1888 und damit zu einer Zeit, in der noch kein Zug von München bis Tegernsee fuhr. Ab Gmund musste man sehen, wie man die lange Etappe vorbei am Forsthaus Valepp bis auf die Tiroler Seite schaffte. Dort an der Holztrift der Brandenberger Ache angekommen, wurde in der einstigen Zollstation akribisch Buch geführt. Anzugeben waren nicht nur Name und Wohnort, sondern auch „Charakter und Beschäftigung“. Auch die „Richtung der Abreise“ war gefragt. „Über Valepp zum Hofbräuhaus in München“ schrieben am 17. Juni 1888 fünf Münchner ins Fremdenbuch, versehen mit einer Karikatur „Acht! Es kommt ein Steg“. Andere notierten in Weinlaune: „A bar Liter Wein, is für an Badler fein, und a Tiroler Madl dazua, mog jeder bayerische Bua“. Wie sie nahmen im gleichen Jahr schon erstaunlich viele Wanderer - auch von weither - die beschwerliche Anreise in Kauf: Ob aus Breslau, Berlin, Chemnitz, Leipzig, Hamburg oder Luxemburg. Schon Enterrottach als Ausgangspunkt war für Auswärtige alles andere als leicht erreichbar!

Es gab zwar schon die „Maximiliansbahn“, die seit Juli 1858 zwischen München-Holzkirchen-Rosenheim verkehrte, doch es dauerte noch Jahrzehnte, bis auch die „junge Tourismusregion Tegernsee“ für die stressgebeutelten Städter per „Vizinalbahn“ erreichbar war. Denn Prinz Carl von Bayern, Schlossherr in Tegernsee 1841-1875, hatte ein Trauma. Er sah schon damals seine Idylle mit Einzug der Eisenbahn bedroht und schlug stattdessen vor, eine Kohlebahn mit Pferdebetrieb von Holzkirchen bis Miesbach zu bauen. Eine Fortsetzung nach Tegernsee lehnte er ab. Doch dann starb der 80-jährige Prinz nach einem Sturz vom Pferd. Wenige Tage nach seinem Tod im August 1875 trat der berühmte Erzgießer Ferdinand von Miller auf den Plan. Seine „Eisenbahn-Actiengesellschaft Schaftlach-Gmund“, die spätere Tegernsee-Bahn Actiengesellschaft, schaffte den Durchbruch. Am 1. August 1883 lief die Dampflok „Ottokar“ mit vier Waggons zur Jungfernfahrt in Gmund ein.

Details nennt ein Reisebericht aus jenen Tagen: „Die Fahrt vom Münchner Centralbahnhof über Holzkirchen nach Gmund („unbedingt rechts sitzen“) dauert zweieindrittel Stunden. Die 1. Klasse kostet 4,90, die 2. Klasse 3,30 und die 3. Klasse 2,10 Mark“. Gmund war als Endstation der Bahn ein „schön gelegenes Dorf“ am See, von dem es heißt: „Unter den oberbayerischen Seen wird er von vielen wegen der Lebendigkeit seiner mit wohlhabenden Höfen und Dörfern und hübschen Landhäusern besetzten Ufern allen übrigen vorgezogen. Das Dorf Tegernsee mit seinen 1000 Einwohnern“ wird überragt vom Schloss, das unter „seinen 63 Fürstäbten eine glänzende Geschichte aufzuweisen hat. Das Kloster ist gegenwärtig Eigentum des Herzogs Karl Theodor in Bayern und berühmt durch seine trefflichen Brauereien (gemütliches Bräustübl)“.

Mit Girlanden gekränzt fährt am 1. Mai 1902 der erste Zug in den neuen Tegernseer Bahnhof ein.
Mit Girlanden gekränzt fährt am 1. Mai 1902 der erste Zug in den neuen Tegernseer Bahnhof ein. Der lang ersehnte Gleisanschluss an den Rest der Welt war vollbracht. Fortan wählten auch viele Wanderer den Zug als Vehikel zum Berg.
 
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