Vor diesem Hintergrund hat sich in Kreuth eine Allianz gebildet, die andernorts kaum vorstellbar wäre: Die Bauern der Weißachau-Gemeinschaft arbeiten Hand in Hand mit den Naturschutzbehörden. Und nicht nur die Bauern: Die wichtigsten Garanten dafür, dass aus der ungewöhnlichen Auenlandschaft nicht schon längst simpler Wald geworden ist, sind: die Kühe! Sie sorgen als vierbeinige Rasenmäher dafür, dass die zarten geschützten Pflanzen nicht von anderen überwuchert werden. Was die Kühe nicht leisten können: aufkommende Bäume und Sträucher niedrig halten. Da müssen die Zweibeiner ran. Und so rücken Mitglieder der Weißachau- Gemeinschaft regelmäßig zu „Entbuschungsaktionen“ aus.
Noch einen weiteren wichtigen Aspekt gibt es: Als einer der größten Grundbesitzer in Kreuth ist man seit Jahrzehnten ein geschätzter Partner der Gemeinde, die zahlreiche wichtige Projekte nur durch die Unterstützung der Gemeinschaft verwirklichen konnte. Dabei müssen alle Beschlüsse einstimmig fallen. „Das macht es schwerer und leichter zugleich“, sagt Klaus Oettl. Der Landwirt aus Scharling ist seit 2008 erster Vorstand der Gemeinschaft. So befinden sich das Schützenhaus und die Schießstatt ebenso auf Gemeinschaftsgrund wie die Vereinsheime der Hirschbergler und der Leonhardstoana, das Rathaus oder das Einheimischen-Projekt an der Weißachaustraße. Der 1937 erstmals abgeschlossene Pachtvertrag für den Kurpark wurde inzwischen zweimal verlängert.
Es sei schon etwas Besonderes, dass die Mitglieder seit nunmehr 215 Jahren zusammenstehen und die Gemeinschaft am Leben erhalten, betont Oettl, umso mehr, als sich die Aufgaben und Anforderungen über die Jahre grundlegend verändert hätten. „Als sich unsere Vorfahren die Weißachauen erstritten, war von Naherholung und Naturschutz noch keine Rede. Für die ursprünglich 36 Mitglieder – allesamt Bauern – ging es um die Futtergrundlage fürs Vieh und um die Versorgung mit Bau- und Brennholz.“
Mit der Entdeckung des Tegernseer Tals durch den Fremdenverkehr wuchs das Interesse an der Au als „grüner Lunge“, in der sich alsbald Kuh und Kurgast begegneten. Zugleich brauchte die Kommune Platz zur Entwicklung. Man kann sich gut vorstellen, dass da reiflich überlegt wurde, ob und wofür Gemeinschaftsgrund hergegeben werden sollte: „Heute freuen wir uns, dass wir z.B. mit dem Bauprogramm für Einheimische oder mit den Vereinsheimen zum Kreuther Ortsbild und zum Gemeindeleben beitragen konnten.“ Unterm Strich ist es dieses Verantwortungsbewusstsein für ein unvergleichliches Stück Kreuther Heimat, das die aktuell 27 Mitglieder der Weißachau-Gemeinschaft verbindet. Seit ihre Au als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wurde, gilt das noch mehr. Oder, wie es Klaus Oettl formuliert: „Das ist eine ehrenvolle Verpflichtung, die viel zusätzliche Arbeit bedeutet und für die es viel Idealismus braucht. Aber es macht natürlich auch Freude, zum Erhalt der Weißachau beizutragen.“
Anette Lehmeier
Fotos:
Ludwig Hörth
Thomas Plettenberg
Rudi Wolf
Tegernseer Tal Tourismus GmbH