Natur und Landschaft
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Ein Dilemma – eine Chance

Doch Viren sind „schlau“. Sie sind Meister der Täuschung, der Verwandlung und der raffinierten Anpassung an veränderte Lebensbedingungen. Sie sind eine der ältesten Lebewesen der Erde. Die Ärztin und Autorin Dr. Anne Katharina Zschocke beschreibt sie als nichts weiter als „genetische Informationen in einer Hülle. Sie brauchen lebende Zellen zu Vermehrung, auf deren Oberfläche sie sich anhaften“.

Die Entwicklung von Viren ist ein Millionen Jahre alter, eng verwobener Wettlauf mit der Entwicklung des menschlichen und auch des pflanzlichen Immunsystems. Auf jede Strategie sie auszurotten, reagieren Viren mit cleveren Mutationen, kehren zurück und nisten sich, wie beispielsweise Herpes-Zoster-Viren, oft lebenslang in unserem Körper ein. Kurz gesagt, wir werden sie nicht los. Waren die Seuchen des Mittelalters Pest, Cholera, Diphtherie, Lepra und Syphilis, sind sie heute Aids, Hepatitis, Pfeiffersches Drüsenfieber, Herpes- und Papillomarviren und – ganz aktuell – COVID-19.

Mittelalterliche Lebensumstände?

Urplötzlich, nach sorgenfreien Jahrzehnten hält uns dieses neue Virus vor Augen, welch große Bedeutung neben Impfungen und Antibiotika, den bereits im Mittelalter bekannten Faktoren zur Entstehung von Seuchen zukommt. Nicht nur im fernen China lebt eine arme Bevölkerung weiterhin auf engstem Raum mit Haustieren zusammen, sondern auch im reichen Deutschland: Mitten im größten Wohlstand hat sich in Tierfabriken und Sammelunterkünften die Situation armer, ausgebeuteter Lebewesen nicht groß verändert. Auch von Mangelernährung bleibt selbst unsere Wohlstandsgesellschaft durch die zunehmende Veränderung von Lebensmitteln nicht verschont: Raffinierter Zucker und Getreide, Milch ohne Fett, Fleisch von gequälten Tieren und Gemüse vom Nährstoffvlies, hochgezogen in Treibhäusern ohne die ernährende, mineralische Kraft der Erde und die Kraft des Sonnenlichts. Dadurch fehlen dem Körper wertvolle Nährstoffe, die er für seinen wichtigsten Schutz gegen – jede Art von – Pestilentia braucht: ein gesundes Immunsystem!

Heilkräftige Talbewohner

Von den vielen Pestwurz-Arten finden wir im Tegernseer Tal am häufigsten die rotblühende gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus) und die weißblühende Pestwurz (Petasites albus). Sie ist eine wichtige Frühlingsnahrung für Schmetterlinge wie den Zitronenfalter. Beide Arten sind heilkräftig.

Die Pestwurz ist eine mehrjährige Pflanze mit starkem, fleischigem Wurzelstock, aus dem im Frühling gleich nach der Schneeschmelze der bis zu 50 Zentimeter hohe und blattlose Blütenschaft wächst. Die an der Unterseite wollig behaarten jungen Blätter erscheinen erst gegen Ende der Blüte. Mit zunehmender Größe verliert sich der Flaum und die Pestwurz bekommt mit ihren bis 80 Zentimeter großen, gezahnten Blättern und den kantigen Stängeln ihr charakteristisches rhabarberähnliches Aussehen.

Die riesigen Blätter gaben ihr den botanischen Namen Petasites. Petasos heißt auf Griechisch breitkrempiger Hut. So mancher Wanderer, der im Hochsommer auf seinem Weg zurück von der Schwarzentennalm oder durch die Langenau von einem Gewitter überrascht wurde, konnte mit Hilfe der breitkrempigen „Hutwurz“, so ihr Name in der Volksheilkunde, einigermaßen trocken heimmarschieren.

Susanne Heim

Doktor Pestwurz

Arzneilich wirksam sind Blütenköpfchen, Blätter und Wurzelstock. Seit man in der Pestwurz leberschädliche Pyrrolizidinalkaloide fand, wird vom Gebrauch der Wildpflanze in größerer Menge, und generell bei Schwangerschaft, abgeraten. In der Apotheke sind inzwischen sehr wirksame pyrrolizidinalkaloidfreie Präparate erhältlich.

Heute hilft sie uns weniger „wider die Pestilenz“, sondern für ein neues Zivilisationsübel: den zunehmenden Stress. Stress führt zu Verkrampfung sowohl der Muskulatur als auch der Gefäße. Mit ihrem krampflösenden Inhaltstoff Petasin hilft sie erstaunlich gut bei Migräne, Asthma, Schulter-Nacken Schmerzen, krampfartiger Menstruation, Gallenbeschwerden und wirkt bei Bluthochdruck entspannend auf die Gefäße.

Als Bestandteil vieler Hustensäfte oder als Tee aus Pestwurzblüten, entkrampft sie die Bronchien. Schleim kann leichter abgehustet werden und Hustenreiz beruhigt sich.

Es sind aber nicht nur diese bronchienschützenden Kräfte, die in Corona-Zeiten die Pestwurz zur Pflanze der Stunde machen. Archäologen haben im Salzbergwerk Hallstatt die bahnbrechende Entdeckung gemacht, dass Pestwurzblätter bereits vor Jahrtausenden von den Menschen als Toilettenpapier verwendet wurden. Was für ein Glück! So rettet uns die Pestwurz, dank der Klimaerwärmung bald auch ganzjährig, vor den gefürchteten coronabedingten Toilettenpapier-Engpässen.

 

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