Natur und Landschaft
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Heilkräuter in unseren Bergen: Die Pestwurz – eine Pflanze mit vielen Vorzügen

Gegen die Seuche ist ein Kraut gewachsen

Pestwurz
FOTOS: NINE WÜLK

Sie befördert Giftstoffe aus dem Körper, wirkt harn- und schweißtreibend, aber auch entkrampfend – Heilkundige wie Paracelsus schwörten und schwören auf die Pestwurz. Die hat neben den medizinischen auch noch ganz pragmatische Anwendungsmöglichkeiten.

Das lateinische Wort „Pestilentia“ bedeutet ansteckende Krankheit oder Seuche. Und von Seuchen blieb auch das im Mittelalter noch verborgene und dünn besiedelte Tegernseer Tal nicht verschont: 1634 wütete die Pest unter der Tegernseer Bevölkerung. Im 19. Jahrhundert wiederum schloss man wegen grassierender Syphilis und Tuberkulose nach und nach die alten „Badstuben“, also von mehreren Höfen genutzte Badehäuser wie in Ellmau, Brandstatt und Kühzagl. Die heute denkmalgeschützte Badstubn in Kühzagl wurde nach ihrer Schließung erst zur Leinherstellung genutzt, später zur Unterkunft für Holzknechte und schließlich zur Viehwaage umgebaut.

Da die Pestilenz besonders die arme Bevölkerung traf, vermuteten die Ärzte des Mittelalters als auslösende Faktoren Mangelernährung und das Zusammenleben von Menschen und Tieren auf engstem Raum. Diese Umstände begünstigten aus ihrer Sicht die Verbreitung von seuchenauslösenden Giftstoffen. Das Wissen von Viren, Bakterien und Hygiene sowie die Möglichkeit der antibiotischen Behandlung und Impfung, lagen noch in weiter Ferne. So versuchte man die Giftstoffe mit Entgiftungsverfahren wie dem Ansetzen von Blutegeln, Aderlass, blutigem Schröpfen oder Kuren mit Brechmitteln auszuleiten. Ein Teufelskreis – denn die oft ausgezehrten, eh schon erschöpften Patienten wurden durch diese Anwendungen noch zusätzlich geschwächt.

Wie die Pestwurz zu ihrem Namen kam

Der berühmte Arzt Paracelsus (1493-1541) behandelte seine an Pestilentia erkrankten Patienten mit einem Trank aus Holunderblüten, Lindenblüten und der stark schweißtreibenden Pestwurz. „Nach seiner Erfahrung“, schreibt der Heilpraktiker und Buchautor Olaf Rippe, „hatte diese Arznei die Kraft, vergiftete Lebenssäfte über den Schweiß auszutreiben.“ Der Pestwurz wurden so stark schweiß- und harntreibende Kräfte zugesprochen, dass sie neben der Schwalbenwurz als wichtigste Heilpflanze zur Behandlung der Pest galt. Man gab Pulver aus getrockneter „Schweißwurz“ oder zog die frische Wurzel in Wein aus. Die Pestärzte des Mittelalters schützten sich vor Ansteckung, indem sie zerstoßene Pestwurz in ihre schnabelförmigen Schutzmasken gaben.

 
Schon bald nach der Schneeschmelze erscheint der kräftige Blütenschaft. Die charakteristischen großen Blätter (s. Bild oben rechts) wachsen erst später im Jahr.

FOTO: PIXABAY/HANS BRAXMEIER

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