Zeitgeschehen
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Die Abschüsse, die zumindest bei der Trophäenschau in Miesbach zu sehen waren, zeigten deutlich, dass ungemein stark im gesamten Gamsbestand eingegriffen wird. Durch den besonders hohen Eingriff in die Jugendklasse können natürlich kaum noch Gams in die mittlere Altersklasse einwachsen. Selbst dort wird viel zu viel abgeschöpft, so dass es an alten Gams ganz massiv mangelt. Ein Alter von 15 bis 17 Jahren zu erreichen, ist beim Gams an und für sich selbstverständlich, zum Teil werden sie ja auch älter (< 20 Jahre). Den reifen Stücken, also jenen über 10 bis 12 Jahren, kommt in der Biologie und Populationsdynamik im Gamsrudel eine besonders wichtige Bedeutung zu.

Zerschossene Strukturen, wie sie bei der Schau in Miesbach offensichtlich wurden, haben nicht nur eine negative Auswirkung auf die Entwicklung des Gamswildes, sondern auch auf die Raumnutzung. Wenn man Gams bejagt wie Rehe, was in Miesbach wohl der Fall sein wird, dann werden die Gams immer jünger, sie werden sich verstärkt dann auch in jungen Jahren vermehren, was bei gut strukturierten Beständen nicht der Fall ist. Das heißt: Es kann durchaus passieren, dass der Bestand trotz massiver jagdlicher Verfolgung immer noch ordentlich präsent ist und im Schutzwald daher nicht die angepeilte Verbissentlastung des Waldes erzielt wird. Herunter geschossene, völlig destrukturierte Bestände laufen jedenfalls Gefahr, noch mehr zum Waldtier zu werden. Nicht zu vergessen ist natürlich, dass permanent gestresstes Wild auch wesentlich anfälliger gegen Parasiten und Krankheiten ist, was im an und für sich ohnehin harten Lebensraum des Gamswildes besonders fatal für die Population sein kann. Ohne entsprechende wildökologische Raumplanung mit dem Ziel, den Gams in die bayerische Bergwelt zu integrieren, schaut es schlecht um diese Wildart aus. Ohne zumindest partieller Toleranz im Wald gegenüber diesem wunderbaren Bergwild wird es kaum eine Zukunft geben.

Hubert Schatz

Der Autor, Forstwirt und Diplomingenieur, ist erster Wildökologe beim Amt der Vorarlberger Landesregierung und sieht seine Aufgabe vor allem in einer Vermittler- und Brückenfunktion zwischen Forstleuten, Waldbesitzern, Tourismusverantwortlichen und Vereinen.

Bei besagter Hegeschau der Kreisgruppe Miesbach fiel in »einem Wald von Gamskrickerln« (Tegernseer Zeitung) auf, dass sehr viele Trophäen von Jungtieren stammen, was nun zum Problem der »zerschossenen Strukturen« im Altersaufbau von Gamswild-Herden führt. In den – wohlgemerkt: amtlich vorgegebenen – Abschussplänen der Hegegemeinschaft Miesbach gibt es seit Jahren geradezu dramatische Zahlensprünge: So war 2010 der Abschuss von 69 »Gamswild Bock IIb« geplant, erlegt wurden 127; bei Gamswild-Jährlingen im Jahr 2007 geplant: 83 Abschüsse, erlegt wurden 123 Tiere; im folgenden Jahr geplant 102 Jährlinge, geschossen 130, im Jahr 2011 geplant 137 Jährlinge, erlegt 154, im letzten Jahr geplant 142 Jährlinge, geschossen 155.

»Zerschossene Strukturen«, das bedeutet, dass innerhalb eines Gamswildbestandes die natürliche Generationenfolge unterbrochen wird – und dann setzt ein lautloser Prozess ein, der ebenso erschreckt, wie er über ein Wunder der Natur staunen lässt: Die Population erweist sich als ein biologisches »Regelwerk«, das – wie von einer höheren Hand oder aus einem Schöpfungskreis gesteuert – auszugleichen versucht: Das Rudel reagiert auf Dezimierung per Abschuss durch erhöhte und vorzeitige Fertilität: Weibliches Gamswild trägt schon im zweiten Lebensjahr Embryos, wurde also bereits als Jährling »beschlagen«, normalerweise tritt Geschlechtsreife erst mit vier Jahren ein, ähnliches gilt für die Böcke, die schon mit drei bis vier Jahren ein Brunftrudel führen; acht bis zwölf Jahre wäre normal. »Verjüngte Bestände«, klingt gut, ist in Wirklichkeit aber fatal: Den Rudeln fehlt die Führung durch die erfahrenen Altgeißen mit ihrem »Überlebenswissen«, die alle Nischen, Fluchtwege und Risikoplätze kennen, ob Steinschlaggefahr, Felsabstürze oder Lawinenstrich. Aber künftig, wohin sollen sie die Herde führen? In unserer kleinen, überschaubaren Welt, wo vor unser aller Augen eine Forstadministration »per definitionem Schutzwald« eine Kreatur Gottes aus dem Schöpfungsplan hinausredigiert.

Peter Kirein

 

Das Wild liegt ihr am Herzen

Herzogin Helene in Bayern
Herzogin Helene in Bayern

»In Oberbayern werden die Wildtiere immer weniger«, beklagt Helene Herzogin in Bayern. Deshalb gründete sie mit Verbündeten kürzlich in Siebenhütten den Verein »Wildes Bayern e.V.«.

»Es gibt eine Reihe von Wildtieren, die völlig unter dem Radar anderer Naturschutzorganisationen segeln. Für diese Arten werden wir als Anwalt auftreten und ihnen sowohl in der Öffentlichkeit eine Stimme verleihen, wie auch ihre Anliegen bei Behörden und Politik mit Sachverstand und Augenmaß vertreten«, so das Credo der Herzogin.In Jägerkreisen ist sie gut vernetzt und auch gern gesehene Schirmherrin bei Veranstaltungen rund um die Jagd. Ob bei der Trophäenschau in Miesbach oder Symposien gegen die übermäßige Bejagung der Gams. Der Bestand und die Zukunft dieses Wildtieres sei stark gefährdet, heißt es allerorten. Dies beunruhigt auch die Wittelsbacherin, die nach eigenem Bekunden eines der schönsten Waldreviere Bayerns in Wildbad Kreuth verwaltet. Doch sie sieht die Idylle gefährdet. »Wer die Wildwechsel nicht kennt, wird kaum noch Rot-, Rehund Gamswild in der freien Natur sehen. Denn gerade die großen Säugetiere und Vögel werden hierzulande oft zwischen wirtschaftlichen Interessen und grenzenlosem Anspruchsdenken des Menschen zerrieben«, mahnt die Herzogin. »Zu Bayern gehören Wildtiere. Sie haben einen begründeten Anspruch auf Erhaltung als Lebewesen, als Bausteine der Ökosysteme unserer Heimat und als wertvolles Gut der bayerischen Landeskultur. Dafür setzen wir uns ein.« So begründet die Mitstreiterin der Herzogin, die renommierte Wildbiologin aus Rottach-Egern, Dr. Christine Miller, das Anliegen des Vereins »Wildes Bayern«.

KW

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