Freilich gibt es einige Freibeträge und Ausnahme - regelungen (§§ 13a ff. ErbStG). Doch das Vorliegen der Vergünstigungen wird sehr genau geprüft. Und um Sonderregelungen in Anspruch nehmen zu können, muss man sein Leben frühzeitig nach diesen Vorschriften ausrichten. Bitter zu wissen, dass just jene Schwerreiche, die durch Grundstückskäufe zu den allgemeinen Preissteigerungen beitragen, ihrerseits durchaus Mittel und Wege finden, um Erbschafts- bzw. Schenkungsteuer zu umgehen. Wer clever ist, verlegt seinen Wohnsitz für eine bestimmte Zeit ins ferne Ausland (es reicht auch Achenkirch), wo es keine Schenkungsteuer gibt. Dort schenkt er seinem Sohn beispielsweise 15.000.000 Euro – schenkungssteuerfrei – und verkauft dem Sprössling anschließend das Grundstück am Tegernsee zum Marktpreis. Hier fallen nur 3,5% Grunderwerbsteuer an. Dies ist aber erkennbar kein Modell für Einheimische, welche hier zur Arbeit gehen oder hier ihren Betrieb haben.
Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, auch, weil viele sich schämen, dass sie ihr Elternhaus nicht halten können. Aber die Zahl der Einheimischen, die verkaufen müssen, steigt. Immerhin haben sie das Geld, um sich woanders niederzulassen. Aber die Heimat ist verloren. Und weil wieder ein Grundstück für gutes Geld den Besitzer gewechselt hat, steigt der Wert der Nachbargrundstücke gleich noch ein bisserl.
Noch eine weitergehende Frage sei erlaubt: Was macht diese Entwicklung mit und in den Orten? Mit den gewachsenen Gemeinschaften, mit gemeinsamen Werten und Zielen? Was mit ehrenamtlichen Organisationen oder Vereinen? Dass wir es mit einem Austausch ganzer Bevölkerungsschichten zu tun bekommen, mag theatralisch klingen. Doch das eigene Gefühl sagt: Es gehen die Jungen und viele, die hier geboren und aufgewachsen sind. Es kommen vor allem Ältere, oft mit wenig Bezug zur Region und womöglich wenig Verständnis für Ortstypisches von Kuh- und Kirchenglocken über Lüftlmalerei bis zum Brezngeruch. Und sogar wer die bairische Sprache, den traditionellen Baustil oder heimische Trachten für nicht schützenswert hält, wird es spüren, wenn Feuerwehr oder Bergwacht der Nachwuchs ausgeht. Wer soll ausrücken, wenn die Jungen zum Arbeiten einpendeln?
Um das Dilemma mit der Erbschaftssteuer halbwegs in den Griff zu bekommen, gibt es nach aktueller Gesetzeslage nur eine Möglichkeit: So früh wie möglich damit anzufangen, den vorhandenen Besitz an sein/e Kind/er zu überschreiben. Das heißt: Ab dem 18. Lebensjahr alle zehn Jahre 400.000 Euro. Gleichzeitig hoffen, dass sich der eigene Nachwuchs so entwickelt, wie man sich das vorstellt; sicherheitshalber aber zumindest einen Nießbrauch eintragen lassen, damit man als Eltern trotz der Schenkungen sicher im eigenen Haus bleiben kann. »Große Klimmzüge«, nennt das Hans Erhard, nur um das Elternhaus für die nächste Generation zu erhalten.
Dass Deutschland (wie z.B. Österreich, Schweden oder Norwegen) auf die Erbschaftssteuer verzichtet, ist nicht zu erwarten. Ebenso wenig, dass die Steuersätze gesenkt oder Freibeträge erhöht werden. Zwar beträgt der Anteil der Erbschaftssteuer am gesamten deutschen Steueraufkommen nur rund 1%, nicht zuletzt wegen der zahlreichen »Verschonungsabschläge«, also Vergünstigungen für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder Anteile an Kapitalgesellschaften. Dennoch würde ein Verzicht in der Öffentlichkeit wohl eher als unpopuläre Entlastung für »ohnehin schon Reiche« wahrgenommen. Frei nach dem Motto: Die armen Millionäre.
Doch vielleicht findet am Ende just die von Hans Erhard entwickelte Idee den Weg in die große Politik: »Man könnte sich darauf einigen, dass eine bestimmte Grundstücksgröße – also z.B. 1.000 Quadratmeter – vom Elterngrundstück (das ist entscheidend!) steuerfrei vererbt werden kann.« Damit wäre die eigene Existenz in der Heimat (ganz gleich ob in Frankfurt, in der Oberpfalz, auf Sylt oder am Tegernsee) gesichert, niemand wäre benachteiligt oder bevorzugt. Für alles, was darüber hinausgeht, fiele die reguläre Erbschaftssteuer an.
Ohne eine Neuregelung wird man einen Satz immer öfter hören, der in jüngster Zeit (sogar bundesweit*) gern in einem Atemzug mit dem Tegernseer Tal genannt wird: »Heimat muss man sich leisten können.«
Anette Lehmeier
* Deutschlandfunk Kultur: Teures Wohnen am Tegernsee – Heimatmuss man sich leisten können (Beitrag vom 27.2.2018), u.a. mit Interviews mit Rottach-Egerns Bürgermeister Christian Köck und Voitlhof-Wirt Josef W. Bogner