Geschichte
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Wilhelm Scheuchzer, Blick vom Paraplui gegen Egern, 1835

Wilhelm Scheuchzer, Blick vom Paraplui gegen Egern, 1835
© Städtische Galerie im Lenbachhaus, München

Wald, Gebirg und Königstraum: Der »Mythos Bayern« lässt sich auch anhand des Tegernseer Tals erzählen

...nur mit einem anderen König!

Was den »Mythos Bayern« ausmacht – dieser Frage geht das Haus der Bayerischen Geschichte in seiner heurigen Landesausstellung nach. Die Benediktinerabtei Ettal wurde als Ausstellungsort mit Bedacht gewählt: Die barocke Klosteranlage vor der Kulisse der Ammergauer Alpen – umgeben von Wald und quasi in Sichtweite der von König Ludwig II. erbauten Schlossanlage Linderhof – deckt schon viele jener Elemente ab, die in der Ausstellung als Mythos prägend herausgearbeitet werden. Beim Rundgang haben wir festgestellt: Die Thematik »Mythos Bayern« könnte man genauso gut am Beispiel des Tegernseer Tals abhandeln…

Denn ein barockes (ehemaliges) Kloster, Wald und Gebirge gibt es hier ebenso wie Spuren der Wittelsbacher – nur mit einem anderen König: Max I. Joseph, dem Urgroßvater des »Märchenkönigs«, und damit mehr als ein halbes Jahrhundert früher. Und immerhin stehen einige Ausstellungsstücke in Beziehung zu unserem Tal.

So kann man den Besuch der Ettaler Ausstellung sowie die Lektüre des Katalogs (mit seinen einführenden Aufsätzen) sehr gut so gestalten, dass man einerseits auf die Suche nach heimatlichen Spuren geht und sich andererseits immer wieder fragt, wie es denn im Vergleich bei uns war (oder ist).

An Wald fehlte und fehlt es im Tegernseer Tal bekanntlich nicht. Der Waldbesitz der Tegernseer Benediktiner war mit rund 80.000 Tagwerk sogar doppelt so groß wie der ihrer Ordensbrüder in Ettal. Dementsprechend hat die Forstwirtschaft hier eine lange Tradition. Das zeigt der Kreuther Vinzentius-Verein, ein solidarischer Zusammenschluss der Holzknechte, der heuer sein 200-jähriges Bestehen feiert (wie in Heft 167 unserer Zeitschrift zu lesen) und der als Leihgabe für die Ettaler Ausstellung eine damals hochmoderne Einmann-Motorsäge aus den späten 1950-er Jahren zur Verfügung gestellt hat. Dass die Holzarbeit stets gefährlich war, zeigt man in Ettal mit vier Votivtafeln aus der Wallfahrtskirche Birkenstein bei Fischbachau. Der Tegernseer Spaziergänger kann derweil einen Blick in die Kapelle Maria Schnee im Alpbachtal werfen, wo gleich am Eingang eine originelle Gedenktafel an zwei Holzknechte erinnert, die 1826 bei der Holztrift am Alpbach verunglückten.

Aus den Wäldern der Alpen kamen zum Beispiel die Baumstämme für den Dachstuhl der Münchner Frauenkirche, der im Sommer 1477 aufgestellt wurde. In Ettal kann man von dieser riesigen Zimmererarbeit ein Modell sehen. Gebaut haben es dieselben jungen Wissenschaftler der Technischen Universität München, die den (ebenfalls spätmittelalterlichen) Dachstuhl der Tegernseer Klosterkirche erforscht und darüber in Heft 166 unserer Zeitschrift berichtet haben.

Wie sehr im 19. Jahrhundert der gewaltige Brennholzbedarf der königlichen Saline Rosenheim die Landschaft geprägt hat, zeigt die Landesausstellung mit einem doppelten Blick auf Egern und die Berge vom Großen Paraplui aus, einerseits festgehalten 1835 von Wilhelm Scheuchzer in einem reizenden Aquarell, andererseits in einem aktuellen Foto vom selben Standpunkt aus. Der Vergleich zeigt, dass es heute an den Berghängen deutlich mehr Wald gibt als vor 200 Jahren. Und die früher weitgehend offenen Wiesenflächen im Talgrund sind heute nicht nur bebaut, sondern auch üppig bewachsen.

Als Scheuchzer das Tal malte, ging es ihm freilich nicht um eine Dokumentation des Waldbestandes, sondern darum, für den Prinzen Karl von Bayern die Schönheiten der Gebirgslandschaft festzuhalten. Denn seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hatte man begonnen, die Alpen nicht mehr als gefährlich-abweisend, sondern als erhaben-romantisch zu empfinden. Nicht zuletzt deshalb hatte Prinz Karls Vater, König Max I. Joseph, 1817 das ehemalige Kloster Tegernsee als Sommersitz erworben. Gerade das Tegernseer Tal hat fortan das Bild der bayerischen Landschaft maßgeblich mitbestimmt. Aus dem Ettaler Ausstellungskatalog erfahren wir, dass der König einen Speisesalon in Schloss Nymphenburg mit Ansichten oberbayerischer Seen und Wasserfälle schmücken ließ. Natürlich gehörte dazu auch der Tegernsee.

Teile eines Kaffeeservices mit Veduten von Oberbayern, um 1847/50

 

Teile eines Kaffeeservices mit Veduten von Oberbayern, um 1847/50: Das komplette Kaffeeservice besteht aus Kaffee und Milchkanne, Zuckerdose, sowie sechs Tassen mit Untertassen. Die Kaffeekanne zieren Ansichten von Tegernsee und Bad Kreuth (Vorder- und Rückseite), auf der Zuckerdose ist der Watzmann mit Berchtesgaden zu sehen und die Milchkanne
ist mit Schloss Hohenschwangau geschmückt.

© Bayerisches Nationalmuseum München / Fotograf: Bastian Krack

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