Leseprobe zu
Heft 182
 
Geschichte
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Alle Jubeljahre!

Dass die Gmunder ihr Jubiläum erneut mit einem Heiligen Jahr verbinden, eröffnet bis ins Alte Testament zurückreichende Bezüge. Das Buch Levitikus schrieb den Israeliten vor, alle 50 Jahre ein großes Erlass- und Freiheitsjahr zu begehen. Die Bewirtschaftung des Landes sollte ruhen, aus Not verkaufter Boden an die ursprünglichen Eigner zurückfallen und alle Schuldsklaven freikommen. Ein solches „Jobeljahr“ wurde durch ein Signal eröffnet, das auf einem Widderhorn (hebräisch: jobel) geblasen wurde. Erst bei der Übersetzung des Bibel ins Lateinische sah man in der Bezeichnung einen Anklang an das freudige „Jubilieren“.

Bronze-Medaillen von Girolamo Paladino: Paspt Alexander VI. bei der Öffnung der Heiligen Pforte in Rom zum Heligen Jahr 1500
Jeweils 24 Jahre lang ist die Heilige Pforte des Petersdoms (in der Regel) vermauert, bis der Papst zur Eröffnung eines Heiligen Jahres die Mauer (symbolisch) wieder einreißt und die Pforte für Pilger öffnet. Die Bronze-Medaille von Girolamo Paladino zeigt Papst Alexander VI., der diesen Brauch begründete, am Beginn des Heiligen Jahres 1500. Sie ist Teil der Sammlung von Ludwig Maria Huber im Museum Tegernseer Tal.

Mehr als eineinhalb Jahrtausende später rief Papst Bonifaz VIII. für das Jahr 1300 erstmals ein christliches Jubeljahr aus: Alle, die nach Rom pilgerten, beichteten und die Hauptkirchen dort besuchten, konnten einen vollständigen Erlass ihrer Sündenstrafen erlangen. War ursprünglich ein Abstand von 100 Jahren bis zum nächsten Heiligen Jahr vorgesehen, wurde er später auf 50 und schließlich auf die bis heute gültigen 25 Jahre verkürzt. Das sind auch überhaupt die Zeitabstände, in denen man sinnvollerweise Jubiläen feiern kann.

Das Heilige Jahr 2025 hat Papst Franziskus unter das Leitwort „Pilger der Hoffnung“ gestellt. Es beginnt mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom in der Heiligen Nacht am 24. Dezember 2024.

 

Kombiniert man nun die Zeitansätze beider Einträge, muss Gerwig mindestens zwischen 1091 und 1121 und kann längstens zwischen 1078 und 1126 als Pfarrer amtiert haben. Das Jubiläums-Bezugsjahr 1075 liegt in keinem dieser beiden Zeiträume. Und selbst wenn man Gerwig ein langes Leben wünscht, wird seine Amtszeit als Pfarrer in einem Zeitalter recht beschränkter Lebenserwartung doch eher 30 als 48 Jahre gedauert haben.

Ersterwähnung ist nicht gleich Entstehung

Ist somit also historisch unwiderleglich erwiesen, dass es nichts ist mit einem Gmunder Jubiläum 2025? Das wäre wiederum zu einfach. Denn wie gesehen, geht es bei beiden betrachteten Aufzeichnungen gar nicht um die Anfänge von Gmund, sondern der Ortsname taucht nur auf, um den Käufer bzw. Schenker näher zu beschreiben, und wird so eher zufällig erstmals schriftlich erwähnt. Und dass Ersterwähnung nicht gleich Entstehung ist (und viele Jubiläumsfeiern in dieser Hinsicht eine falsche Gewissheit vermitteln), ist in diesem Fall besonders gut zu sehen. Denn wenn Gerwig als „Leutpriester“ von Gmund bezeichnet wird, setzt das bereits hinreichend viele Leute am Ort voraus, um die er sich als Seelsorger kümmern kann. Es hat Gmund – wie klein oder groß man es sich vorstellen mag – folglich schon eine (unbekannte) Zeit lang vorher gegeben.

Dass der erste für das Tal bezeugte Pfarrer seinen Sitz in Gmund hatte, überrascht nicht. Die Besiedelung des Tals geschah ja – den geographischen Gegebenheiten entsprechend – wohl von Norden nach Süden. Dem folgte die Errichtung von Seelsorgekirchen und -sprengeln. Die Tegernseer Klosterchronik berichtet, dass Abt Eberhard II. irgendwann in seiner (wie schon gehört, von 1068 bis 1091 währenden) Amtszeit in Gmund eine Steinkirche errichten ließ. Die Fundamente dieser Kirche konnten 1998 bei archäologischen Grabungen nachgewiesen werden. Ob man allerdings aus der ausdrücklichen Bezeichnung als „Steinkirche“ folgern darf, dass es zuvor schon eine Holzkirche gegeben habe und dem entsprechend die kirchliche Anfänge Gmunds noch ein Stück weiter zurückdatiert werden können, bleibt Spekulation.

Dagegen wird aus der Korrespondenz des Klosters in den Jahren um 1170/80, die in der so genannten jüngeren Tegernseer Briefsammlung glücklicherweise erhalten ist, deutlich: Das Benennungsrecht für den Pfarrer von Gmund lag – wie nicht anders zu erwar- ten – seit alters beim Kloster als der dominierenden Herrschaftsinstitution im Tal. Nur die förmliche Bestellung des Leutpriesters war dem Freisinger Bischof vorbehalten.

 
 
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