Leseprobe zu
Heft 182
 
Geschichte
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Das fast 1000 Jahre alte Traditionsbuch des Klosters Tegernsee dokumentiert ein Grundstücksgeschäft im Landkreis Freising. Der Käufer Gerwig wird dabei als „parrochianus presbiter ad Gimunda“ (Pfarrpriester zu Gmund) bezeichnet. Dies ist die erste schriftliche Erwähnung des Ortes. Leider fehlt die genaue Datierung.

 

Doppelseite aus dem Tradititonsbuchs des Klosters Tegernsee

 

Mindestens ein Jahrhundert lang war der Pfarrer von Gmund für sämtliche Bewohner des Tals und des unmittelbar nördlich daran anschließenden Alpenvorlandes zuständig, auch wenn es hier inzwischen an mehreren Orten weitere Kirchen gab. Erbaut worden waren sie natürlich ebenfalls vom Kloster, das für seine Untertanen näher gelegene Möglichkeiten zum Gottesdienstbesuch schaffen wollte. 1187 erlaubte Bischof Otto II. von Freising auf Bitten Abt Konrads II. „dem Volk bei Egern“, da diesem „die Rauheit der Witterung und die Länge des Weges“ nach Gmund oft hinderlich seien, den Gottesdienst in der Regel in ihrer eigenen Kirche zu besuchen und dort auch die Sakramente zu empfangen. Das war der Anstoß zur Jahrhunderte lang geltenden Aufteilung des Tals in die drei Pfarreien Gmund, Egern und Tegernsee.

Reine Nervensache

Damit sei es mit der geistlich-weltlichen Frühgeschichte von Gmund an dieser Stelle genug. Aber was bedeutet dies alles nun für die eingangs aufgeworfene Frage nach einem Jubiläum im Jahr 2025? Die Daten- und Faktenlage war auch vor der Feier von 1975 bereits bekannt. Das kann man in der damaligen Festschrift nachlesen, die vom heimatkundlich versierten Tegernseer Lehrer Rupert Berlinger zusammengestellt wurde. Aber ebenso klar war, dass man einen unbekannten Zeitpunkt irgendwann vor 1091 schlecht feiern kann. Doch dass man sich seiner Herkunft von Zeit zu Zeit durch eine Feier mit historischem Bezug versichert, ist andererseits offenkundig ein menschliches Bedürfnis. Die damals gewählte Lösung war, das Pfarr- und Ortsjubiläum mit dem von Papst Paul VI. ausgerufenen Heiligen Jahr 1975 zu verbinden und ansonsten (mit Recht) darauf zu vertrauen, dass es Gmund 900 Jahre zuvor jedenfalls in irgendeiner Form gegeben haben wird.

Auf die Wiederkehr Heiliger Jahre mindestens nach jedem Vierteljahrhundert kann man sich verlassen. So hat Papst Franziskus für 2025 erneut eines angekündigt, und die Gmunder können sich erneut „dranhängen“. Auf die Behauptung, damit genau die 950. Wiederkehr der Pfarr- oder Ortsgründung zu feiern, können sie dabei getrost verzichten. Die Ungewissheit, wann diese nun „wirklich“ genau war, auszuhalten, ist Nervensache. Dass man in Gmund diese Nerven hat, unterliegt keinem Zweifel.

Roland Götz

 

Fotos:
Luftaufnahmen von Gmund am Tegernsee: Thomas Plettenberg
Bronze-Medaillen: Patrick Mautry
Traditionsbuch aus dem Kloster Tegernsee: BayHStA, Kl Tegernsee 7, Fol. 23v-24r und 83r

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