Heimat und Brauchtum
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Beschriftung des Fremdenbuch und Zeichnung eines Gastes

Die Fremdenbücher erzählen Geschichte und Geschichten und gaben poesiebegabten Gästen ebenso Raum wir kunstfertigen Zeichnern. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen waren vermutlich nicht zufällig.

 

Um in diesen Genuss zu kommen, werden ab Gmund Pferdegespanne empfohlen. Entweder Stellwagen der Post oder Ein- und Zweispänner zum Preis von drei bis sechs Mark. „Die Wirte in Tegernsee senden auf telegraphische Bestellung Fuhrwerke an den Bahnhof Gmund“. Die Fahrt von Gmund nach Kreuth mit der Postkutsche dauerte damals noch „zwei Stunden“. Wer in Wildbad Kreuth mit seinen „gut eingerichteten Badegebäuden“ nächtigen wollte, wurde „vor dem dort herrschenden etwas ernsten Ton“ gewarnt. Er sei „nichts für Touristen“. Von dort ging es weiter über den Achensee (24 Mark im Zweispänner) nach Jenbach. Dafür waren „sechseinhalb Stunden“ einzuplanen. Entschädigt wurden Reisende auf dieser „reizenden Tour“ mit „prächtigem Wald, brausenden Wässer und anmutigen Almen“. „Lohnend“ sei auch eine „Fußwanderung von Tegernsee bis Jenbach“.

Wer von Rottach zur „Falepp“ über die Rottachfälle wandern wollte, musste gut vier Stunden einkalkulieren. Mit einem Gespann für 24 Mark wäre die Rundtour über den Spitzing- und Schliersee „in einem Tag zu machen (...) Touristen, die nicht laufen wollen, mögen diese Fahrt nicht versäumen“.

Im Juli 1895 machte sich von Tegernsee aus ein Herr Heinrich Daig mit Frau, Sohn und Tochter auf den Weg zur Erzherzog-Johann-Klause. Seine Eintragung als „Gymnasialprofessor i.R., russischer Collegienrat“ findet sich im Fremdenbuch Seite an Seite mit Vermerken der vielen Einheimischen aus Egern und Kreuth, die durch die Langenau zur Brandenberger Seite heraufwanderten. Auch Ambitionierte sind dabei: Ein Wanderer nennt als Ziel: Venedig.

 
Radler auf der Forststraße von der Valepp zur Erzherzog-Johann-Klause
 

Bequem geht es heute per (E-)Bike auf der Forststraße von der Valepp zur Erzherzog Johann Klause. Ein bisserl mehr Abenteuer verspricht der Steig durch den Bergwald.

Wanderweg zur Erzherzog-Johann-Klause

Am 1. Mai 1902, und damit 19 Jahre nach der Eröffnung der Bahnstation in Gmund, erreichte der erste Zug Tegernsee. Bereits für die Pfingst-Feiertage waren Sonderzüge in „freudiger Erwartung eines Besucher-Ansturms“ geplant, berichtete der „See-Geist“ voller Heimatstolz. „Wie viele Bewohner der Haupt- und Residenzstadt mögen sich schon seit langem auf einen Ausflug an die lieblichen Seen und prächtigen Berge des Oberlandes gefreut haben, um daselbst in Gottes herrlicher Natur einige Tage zu lustwandeln und auszuruhen von den Mühen und Lasten des großstädtischen Getriebes“, zitieren Michael Heim und Helge Hufschläger in ihrem Buch „Ein Tal und seine Bahn“ das Heimatblatt.

Mit der Eisenbahn nach Tegernsee und Schliersee erlebte die Erzherzog-Johann-Klause schon für damalige Verhältnisse einen wahren Ansturm. Ganze Gesangs- und Turnvereine verewigten sich in den Fremdenbüchern, die auch ein Stück Zeitgeschichte widerspiegeln. Während des Ersten Weltkrieges (1914-1918) enden die Eintragungen im Mai 1915 und beginnen wieder im Juni 1917. Während des NS-Regimes eroberten auch Wandergruppen der nationalsozialistischen Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) die abgeschiedene Klamm. Selbst in den Kriegswirren obsiegte die Wanderlust. Die Eintragungen enden erst im Juli 1944.

In den Fokus der Medien geriet die Klause erstmals 1983. Sie wurde Schauplatz einer unbeabsichtigt langen (neunstündigen!) Bergwanderung von Franz Josef Strauß und Helmut Kohl. Nach der Strapaze stärkten sich die Politkolosse bei einer berühmt gewordenen Brotzeit in der Erzherzog-Johann-Klause, besprachen nebenbei die Grundpfeiler der deutschen Politik und wurden sodann von Begleitfahrzeugen abgeholt.

Dem Normalbürger bleibt die Zufahrt über die Forststraße durch eine Schranke beim Forsthaus Valepp verwehrt. Vom Wanderparkplatz dort führt eine gut zweistündige Tour durch dichten Wald auf einem schmalen Bergsteig, teils mit Seilen gesichert, in das tief eingeschnittene Tal der Brandenberger Ache, vorbei an einer schroffen Felswand und über neu errichtete Gitterbrücken. Leichter ist die Etappe auf der Forststraße mit einem Mountainbike zu schaffen. Noch bequemer geht's natürlich mit einem E-Bike, das immer öfter dort anzutreffen ist. Aus Feuerschutzgründen bietet das Wirtshaus heute keine Übernachtungsmöglichkeit mehr an. Vor 130 Jahren war das noch möglich. Auszusetzen gab es trotzdem etwas, wie ein Eintrag im Fremdenbuch offenbart: „Es wäre hier ganz schön zu sein, bloß gibt der Wirt uns keinen Wein. Und kommen wir hierher mal wieder, dann darf er sein nicht mehr so zwider.“

Klaus Wiendl

Fotos & Bildmaterial: Klaus Wiendl, Erzherzog-Johann-Klause/Privat

 

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