Kultur
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Fotos: PR/SAMMY HART

 

Wie der Pianist Amadeus Wiesensee mit und für die Musik neue Räume öffnet

Einzigartig in Stil, Herangehensweise und Wirkung

Das einstige musikalische „Wunderkind“ Amadeus Wiesensee ist erwachsen geworden und hat es weit gebracht: Mit 27 Jahren zählt er zu den vielfach ausgezeichneten (zuletzt mit dem Bayerischen Kunstförderpreis 2021), international gefragten und gefeierten Konzertpianisten. Dabei haben seine Heimat Tegernsee, das Studium der Philosophie und selbst die Corona-Pandemie seinen Werdegang befördert. Wie sehr, lässt sogar unsere Autorin staunen, die den jungen Künstler in seinem Abiturjahr 2011 bei der Otkar-Verleihung am Gymnasium Tegernsee erstmals erlebte und seither immer wieder berichterstattend begleitete.

Für diesen Beitrag erwische ich ihn Ende August, irgendwo zwischen sechs Kammermusik-Konzerten beim Davos-Festival, der Aufzeichnung einer philosophischen Talkrunde im TEDx-Format über die „Ästhetische Philosophie in der Musik Beethovens“ in Vaduz und dem Krzyz˙owa-Musikfestival in Polen. Allein dort steht er sechs Mal auf dem Podium. Auch wenn Amadeus sich umgehend meldet, weil er nicht nur viel zu sehr Profi, sondern vor allem viel zu höflich und verbindlich ist, um Weggefährten und Alumni seiner ehemaligen Schule warten zu lassen, ist es schwer, ihn für ein halbstündiges Gespräch über Videokonferenz zu „derglangen“. Er ist schlichtweg viel beschäftigt mit Aufzeichnungen und Interviews, etwa mit dem Deutschlandfunk, - und das nicht nur, weil Bayerns Kunstminister Bernhard Siebler tags zuvor verkündet hat, dass Amadeus Wiesensee mit dem hochdotierten Bayerischen Kunstförderpreis 2021 in der Sparte Musik ausgezeichnet wird. Der Minister lobte den gebürtigen Franken, der seit Studienzeiten in München lebt, als „neuen Stern am bayerischen Musikhimmel“, weil „er aus dem zahlenmäßig nicht gerade kleinen Kreis junger talentierter und hoffnungsvoller Pianisten als einer von nur ganz wenigen tatsächlich nachhaltig herauszustehen vermag“, was an seiner „herausragenden Qualität und seinem Anspruch an sich selbst“ läge.

Was den „neuen Stern“ betrifft, müssen wir den Minister allerdings berichtigen: Amadeus Wiesensees musikalische Reputation war schon als Kind enorm, und seine Strahlkraft reicht seit Jahren über die bayerischen Gefilde hinaus. Aus dem Shooting Star ist längst ein Fixstern am Kunst- und Kulturhimmel geworden, mit dem man rechnen und auf den man zählen sollte.

Sein Werdegang ist mehr als beeindruckend: Als Sechsjähriger erhält er seinen ersten Klavierunterricht – zusammen mit seiner Mutter, die sich damit einen eigenen Herzenswunsch erfüllte und den Sohnemann im Grunde nur zufällig dafür begeisterte. Amadeus‘ Talent wird aber sehr schnell offensichtlich, und die Mama gibt – angesichts dieser Konkurrenz – auf. Schon bald wird Amadeus Schüler von Professor Thomas Böckheler von der Hochschule für Musik in München. Von da an entwickeln sich seine Fähigkeiten rasant: Mit 12 spielt er mit dem BR-Rundfunkorchester Mozart für BR Klassik, mit 13 wird er Jungstudent am Mozarteum in Salzburg beim weltweit renommierten Professor Karl-Heinz Kämmerling, absolviert Meisterkurse bei Matti Raekallio aus New York und Elisabeth Leonskaja aus Wien, bei Robert Levin aus Harvard und bei der berühmten Hélène Grimaud. Ab 2009 pendelt er zwischen Waakirchen und Hannover hin und her, wo er am IFF, dem Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter, weiter bei Kämmerling studiert. Auch wenn er es weder damals noch heute gerne hört: Er gilt als Wunderkind. 

„Dem Spiel von Wunderkindern haftet oft etwas Dressiertes, Technisches und Oberflächliches an“, wehrt sich Wiesensee, der stolz drauf ist, dass seinem Spiel neben technischer Brillanz bereits früh Tiefgang attestiert wurde. Sein Spiel sei durchdrungen mit Geist und Emotionen heißt es, deshalb sei es so einzigartig und anrührend. Ein Konzertkritiker befand, dass Wiesensee den gewählten Werken auf mehreren geistigen Ebenen begegne, sich selbst in der Musik finde und sein Publikum an diesem Erlebnis teilhaben lässt. „Es geht ihm um die Wiederherstellung der Einheit von Geist und Musik“, hieß es in der Laudatio zum AMALIA-Preis für Neues Denken. Und das ist es, was sein Spiel so herausragend macht: Er spielt nicht nur technisch einwandfrei, sondern schafft innerlich erlebte Kunst. In sein Spiel fließen seine Ansichten, Ideen, sein Erleben und seine Erfahrungen – das, was er Welthaftigkeit und Welthaltigkeit nennt - ein. Die Süddeutsche Zeitung attestierte: „Dieser junge Mann hat ein nahezu unheimliches Gespür für die Dunkelheiten, für das Verhangene, auch Grüblerische und deren Farbigkeiten. So leuchtet er keineswegs nur den Vordergrund der Stücke prächtig aus, sondern er öffnet im musikalischen Prozess gleichsam die dahinterliegenden Echo- und Assoziationsräume. In den besten Momenten scheint es, als könne man die Musik als dreidimensionales Gebilde umwandern.“

 
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